1 Jahr Homeschooling: im Gespräch mit Betroffenen

Ein ganzes Jahr gezeichnet von Corona ist nun bereits vergangen. Man kann es immer noch nicht so recht glauben. Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass nach über 12 Monaten noch immer keine Besserung der Pandemie in Sicht sein wird? Geschäfte sind weiterhin geschlossen, das Privatleben stockt und Mallorca wird zum Touristen- und wahrscheinlich auch Corona-Hotspot. Wir von WasJetzt Odenwald haben uns stark mit den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie befasst und versuchen den Klein- und Mittelständlern im Odenwald unter die Arme zu greifen. Einen ganz anderen Aspekt von Covid-19 möchten wir aber in diesem Blogbeitrag diskutieren: Homeschooling – seit einem Jahr steht das Schulleben Kopf.

Keine sozialen Kontakte, verzweifelte Eltern, fehlende Digitalisierung und ein reines Chaos. Eine klare Strategie und auch der Zukunftsblick des Schulsystems scheinen zu fehlen. Aber wie hat sich nun das letzte Jahr Homeschooling gestaltet und welches Fazit ziehen die Betroffenen? Da das WasJetzt Odenwald Team noch kinderlos ist, haben wir Eltern und Lehrer befragt und teilen in diesem Beitrag deren Erfahrungen mit Dir. Die Eltern und Lehrer haben zusammengetragen, was für sie die größten Herausforderungen im Homeschooling waren, aber auch, welche Vorteile gegebenenfalls für das Kind oder das Lernen daraus resultierten. Zuletzt haben sie noch Tipps mit uns geteilt, wie sie den Homeschooling Alltag meistern.

In vielen Bereichen haben wir aus der Pandemie lernen können. Doch was lernen wir zu unserem Bildungssystem und darüber, was Kinder wirklich brauchen? Dieser Beitrag soll nicht abschrecken. Er soll die Meinungen der Eltern und Lehrer aus der Region sichtbar machen. Wir danken den Beteiligten dieses Blogbeitrags, dass sie ihre Gedanken mit uns und der Region teilen.

Erfahrungen der Eltern

Eltern übernehmen seit März letzten Jahres nun auch teilweise die Rolle des Lehrers ein. Parallel zu den elterlichen Pflichten und dem eigenen Job ist dies so keine Dauerlösung – da sind sich alle Stimmen einig. Trotz dessen befindet sich die Mehrheit der Eltern nun seit einem Jahr in dieser Situation und muss die Doppeltbelastung stemmen. Über die mentale Belastung der Eltern, die ein eigenes Unternehmen leiten und unter den wirtschaftlichen Folgen von Covid-19 leiden, möchte man gar nicht nachdenken. Im Folgenden könnt ihr die Erfahrungen der Eltern lesen.

Herausforderungen

Als größte Herausforderung im Homeschooling beschreiben unsere Eltern die Schwierigkeit, dem Kind weiterhin den Spaß an der Schule zu vermitteln und es Schule positiv erleben zu lassen. Denn dieses Gefühl könne sich innerhalb kürzester Zeit zum Negativen ändern. Und dann kommen die großen Probleme.

Unsere Tochter geht gern zu Schule, ist fleißig und motiviert. Nach ein paar Wochen nahmen diese Eigenschaften deutlich ab. Nach der Demotivation kam der Frust und mit dem Frust die Tränen und der Selbstzweifel. Für uns war es ein riesiger Spagat, auf der einen Seite weich zu sein und auf die Bedürfnisse unseres Kindes einzugehen und auf der anderen Seite die Rolle des Lehrers zu übernehmen und klar zu machen, dass Schule nun mal sein muss.

Erfahrungsbericht Mutter M.

Nach einem Jahr Homeschooling, vielen Erfolgen, aber auch vielen Niederschlägen folgt das Fazit.

Inzwischen ist für uns klar: Homeschooling schön und gut, aber bitte nicht mehr um jeden Preis. Und vor allem nicht auf Kosten der Eltern-Kind-Beziehung und der seelischen Gesundheit des Kindes. Schule ist doch nur Schule, beim nächsten Homeschooling werden wir den Druck rausnehmen.

Erfahrungsbericht Mutter M.

Tipps von Eltern an Eltern

Druck bewirke oft genau das Gegenteil von dem, was eigentlich gewünscht ist. Dabei müssten Aufgaben doch gar nicht „perfekt“ bearbeitet werden. Ziel dürfe nicht sein, dass jegliche Aufgaben selbstständig, in Eigenverantwortung und von Anfang bis Ende fehlerfrei bearbeitet würden. Bei Schwierigkeiten solle Unterstützung hinzugezogen und lieber beim Lehrer nachgefragt werden. Dann könnten individuelle Telefon- oder Videotermine mit dem Kind vereinbart und Inhalte gemeinsam aufgearbeitet werden.

Fazit der Eltern

Der Wunsch, dass Lehrer präsenter sind und die Kinder (und Eltern) nicht mit dem Erarbeiten der Lerninhalte sich selbst überlassen werden, kommt in vielen Homeschooling-Haushalten auf. Auch in der Grundschule ist es möglich, Themen per Videokonferenz in Kleingruppen einzuführen. So könnten die Kinder direkt Fragen stellen, statt allein damit konfrontiert zu sein, wenn das neue Thema undurchsichtig scheint.

Fernunterricht bedeutet nicht, dass die Kinder am Sonntag Aufgaben für die ganze Woche bekommen, sie alleine und in Eigenregie erledigen müssen und freitags in einem gemeinsamen Wochenabschluss-Zoommeeting darüber geredet wird. Das hilft weder der schulischen Entwicklung, noch ist es verträglich für die seelisch-psychische Entwicklung der Kinder.

Vorteile können wir dem Homeschooling, so wie es bei uns durchgeführt wurde, deshalb kaum abgewinnen. Aber zumindest wissen wir jetzt, was wir uns für unser Kind in der Zukunft nicht wünschen.

Erfahrungsbericht Mutter M

Welche Herausforderungen haben Lehrer und Schulen zu meistern?

Eine Mutter und gleichzeitig Schulvertreterin einer Grundschule hat diese Frage für uns beantwortet, da auch die betroffenen Lehrer viele Herausforderungen zu meistern hatten.

Sie berichtet vor allem über die Schwierigkeit für Lehrer, einen passenden Wochenplan zu erstellen, der die gesamte Klasse mitnimmt und keinen zurücklässt. Das Schülerniveau in der Grundschule sei sehr weit gefächert. Manche Lehrer erstellen auch für bestimmte Kinder einen eigenen Plan. Obendrauf kommt oft noch die Notbetreuung. Die Arbeitszeit? Sie hat sich im letzten Jahr vervielfacht.

Ich denke, viele Lehrer arbeiten sogar mehr als sonst. Viele versuchen, den Kontakt zu den Schülern und Eltern zu halten, gerade bei schwierigen Verhältnissen. Eine solch individuelle Betreuung nimmt enorm viel Zeit in Anspruch.

Mutter und Schulvertretung Grundschule

Die Flexibilität, die seitens der Lehrer aufgebracht werden muss, habe in den letzten 12 Monaten erheblich zugenommen. Einer der Hauptgründe dafür seien spontane Umstellungen der Pläne, da oft erst freitags beschlossen würde, wie es montags weitergehe. Damit seien Planungen quasi nicht möglich – schon gar nicht längerfristig. Die Folge? Geplantes muss ständig wieder verworfen werden, die Arbeit ist häufig „umsonst“.

Vorteile, die Lehrer erfahren konnten

Für die Thematik „Medienbildung“ stellt das Format des Homeschoolings einen hohen Merhwert dar. Im „normalen“ Schulalltag könnte dieses Thema nicht besser vermittelt werden. Die Schüler lernen den Umgang mit Tablet und PC, Lern-Apps und Videoplattformen nun tagtäglich. Der große Vorteil: die Selbständigkeit der Schüler wird ausgebaut. In manchen Fällen treten hier jedoch Probleme bei Schülern auf, die zuhause wenig oder keine Unterstützung seitens der Eltern bekommen und sich selbst noch gar nicht strukturieren können.

Richtige Vorteile sehe ich jedoch weder als Mutter, noch aus Schulsicht. Eventuell lernen manche Kinder, selbstständiger zu arbeiten. Vielleicht gibt es vereinzelt Kinder, die besser lernen können, da sie daheim keinen Zeitdruck haben. Aber am Ende ist es fraglich, ob sie den Stoff gelernt haben. Es werden ja dann auch wieder Arbeiten geschrieben.

Mutter und Schulvertretung Grundschule

Tipps der Lehrer an betroffene Eltern

Der wichtigste Tipp für gutes Gelingen: Struktur und Organisation. Jeden Tag zur selben Uhrzeit aufstehen, feste Zeiten für Pausen. Dazu gehört auch, sich an die Wochenpläne zu halten. Aufgaben sollten weder zu schnell, noch zu langsam abgearbeitet werden und auch der Austausch zwischen den Kindern ist wichtig und kann unterstützen.

Ganz wichtig: Eltern sollen nicht das Gefühl oder den Anspruch haben, Lehrer zu ersetzen

Mutter und Schulvertretung Grundschule

Fazit und Ausblick zum Homeschooling

Weder bei den Lehrern noch bei den Eltern herrscht große Begeisterung über das andauernde Homeschooling und dessen Hürden. Wie also auch bei vielen anderen Problematiken, denen wir durch die Covid-19 Pandemie gegenüberstehen, ist nur die Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung der Weg, um diese schwerfällige Zeit zu überstehen. Schüler müssen sich austauschen, Lehrer geben weiterhin alles, um ihre Schüler zu unterstützen und Eltern müssen versuchen, Kinder bei ihrer schulischen Entwicklung zu unterstützen, aber nicht um jeden Preis!

Homeschooling
Gemeinsam stark durch die Krise

Wir vom WasJetzt Odenwald Team wünschen allen Eltern und Lehrern weiterhin starke Nerven und Durchhaltekraft, bis wir diese Pandemie gemeinsam überstanden haben.


Im Folgenden findet ihr auch noch weitere Tipps zum Homeschooling

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